Die Kirche Maria Frieden
Einleitung
Die Kirche Maria Frieden ist mit ihrem massigen, fast 30 Meter hohen Turm ein Wahrzeichen des Werner Westens. Ihre sparsame, fast strenge Architektur weist sie als typischen Nachkriegsbau der 1950er-Jahre aus. Mit bescheidenen Formen und klaren Proportionen wollten sich die Architekten jener Zeit vom Größenwahn der Nationalsozialisten abgrenzen. Der Bruch mit dekorativeren Traditionen sollte außerdem für den geistigen Neuanfang der jungen Bundesrepublik stehen.
1950, sechs Jahre nach Ende des 2. Weltkriegs, war nicht nur das Geld, sondern auch der Wohnraum sehr knapp – in Werne ebenso wie fast überall in der BRD. Flüchtlinge und Vertriebene aus ehemaligen deutschen Ostgebieten suchten in der Stadt zwischen Münsterland und Ruhrgebiet eine neue Heimat. Aus dem Krieg heimgekehrte Soldaten wollten Familien gründen und endlich sesshaft werden. Im Westen von Werne entstanden neue Eigenheime, zunächst im Baaken, später wuchs im Bereich der Ovelgönne und Selmer Landstraße die Kolpingsiedlung.
Gläubige stemmen finanziellen Kraftakt
Pfarrdechant Josef Aschoff erkannte die Notwendigkeit, neben St. Christophorus eine weitere Pfarrkirche zu errichten. Am 19. November 1950 gründete er den Kirchbauverein St. Christophorus, um die finanziellen Mittel beschaffen zu können. Bereits ein Jahr später konnte ein Standort am Windmühlenberg für die erste neu zu errichtende Kirche festgelegt werden.
Für die Gläubigen bedeutete so ein Bauvorhaben in den Nachkriegsjahren einen finanziellen und technischen Kraftakt. Das bezeugt ein Zeitungsartikel vom 10. September 1951: „Die Gabe jedes Einzelnen soll eine wirkliche Segensspende sein zur Ehre Gottes, zur Verherrlichung der Königin des Himmels. Möge auch der Aufruf zur freiwilligen Arbeitsleistung am Bau der Kirche nicht ungehört verhallen.“ Er verhallte nicht. Bürger und Mitglieder beteiligten sich an den Ausschachtungsarbeiten, die nach dem ersten Spatenstich am 19. September 1951 begannen. Die Grundsteinlegung erfolgte am 21. Oktober 1951 durch Weihbischof Heinrich Roleff aus Münster.
Maria Frieden ist Kind ihrer Zeit
Am 1. Mai 1953 konnte das neue Gotteshaus eingeweiht werden. Der Architekt Theodor Burlage aus Osnabrück hatte eine helle Hallenkirche ohne Pfeiler entworfen, mit einer modernen Kassettendecke und einer Gesamtlänge von 44 Metern, die etwa 500 Sitzplätze fasste. Burlage und sein Kollege Bernd Niebuer zählten damals zu den bedeutendsten Kirchenbaumeistern Nordwestdeutschlands. Burlage war überzeugt davon, dass Christen, die mit beiden Füßen im Leben stehen, nur von einem Kirchenraum berührt würden, der ein Kind seiner Zeit sei.
Die Kirche erhielt den Namen „Maria Frieden“, laut Kirchenchronik zur Erinnerung an das Heilige Jahr 1950, dass Papst Pius XII. dem Frieden unter den Völkern gewidmet hatte. Als erster Pfarrer trat Heinrich Wessel am 26. Januar seinen Dienst in der seit Herbst 1954 selbstständigen Pfarrei an.
Engagierte Stifter
Die Mitglieder der neuen Gemeinde beteiligten sich lebhaft an der Kirchenausstattung. So wurden die drei ersten Glocken für Maria Frieden von folgenden Personen gestiftet: Die ges-Glocke von Frau Dr. Moormann aus Ehringhausen, die b-Glocke von Hermann Steinweg aus dem Baaken, die as-Glocke vom Schützenverein Varnhövel-Ehringhausen. Die Glocken wurden im Dezember 1953 in der Gießerei Feldmann & Marschel (Münster) gegossen. Viele Gemeindemitglieder waren angereist, um zuzuschauen. Später wurde das Geläut von Maria Frieden um zwei weitere Glocken aus der Gießerei Petit & Edelbrock (Gescher) komplettiert. Sie sind gestimmt auf die Töne „des“ und „es“. Finanziert wurden sie mit Spenden der Volksbank sowie der Bürger Hermann Bergmann und August Wahlich.
Kunstwerke von Heinrich Gerhard Bücker
Die Finanzierung eines Kreuzwegs unterstützte erneut der Schützenverein Baaken. Die Firma Höttcke schenkte der Gemeinde 1957 das Holz für einen Paramenten-Schrank in der Sakristei. Den Tabernakel stiftete die Familie Wilhelm Fleige aus Varnhövel.
Der Schrein für die geweihten Hostien besteht aus einem schlichten Granitblock, an dem eine Kupferplatte eingelassen ist. Darauf befindet sich ein Medaillon. Es zeigt das Lamm mit dem Kreuzstab als Zeichen des Opfertodes Christi und der Auferstehung. Um das Medaillon herum wurden grob geschliffene Halbedelsteine eingelassen, darunter mehrere Bergkristalle. Da diese – als Kristalle – nicht brennen, aber Feuer entzünden, wenn Licht durch sie fällt, galten diese Steine als Symbol der unbefleckten Empfängnis Mariens.
Halbedelsteine zieren auch das schlichte Kreuz über dem Altar. Es wurde ebenso wie der Tabernakel 1961 von dem Bildhauer und Maler Heinrich Gerhard Bücker gefertigt. Für das Kreuz verwendete Bücker eine 4000 Jahre alte Mooreiche.
Renovierung der Kirche
Anfang der 1990er-Jahre wurde Maria Frieden umfangreich renoviert. Dabei entstand im Sinne des Zweiten Vatikanischen Konzils eine Altarinsel. Der tiefer gelegte Altar steht im Mittelpunkt einer geschwungenen Stufenanlage, die zu dem geraden Chorabschluss hinführt, der wiederum nur von dem schlichten Bücker-Kreuz geschmückt wird. Das Weihnachtsfest 1994 kann die Gemeinde in der frisch renovierten Kirche feiern. Ihren schlichten, zurückhaltenden Gesamteindruck hat Maria Frieden bis heute bewahrt.
Chronologie der Pfarrer von Maria Frieden
1955 bis 1970: Pfarrer Heinrich Wessel
1903 geboren in Haltern
1937 Priesterweihe in Münster
1970 in Ruhestand getreten
1976 gestorben in Haltern
1970 bis 1974: Pfarrer Dr. Felix Funke
1932 geboren in Velen
1959 Priesterweihe in Simpelveld
1979 versetzt als Dozent für Theologie ans Priesterseminar in San José de Mariquina in Chile
1974 bis 1995 Pfarrer Josef Teipel
1923 geboren in Mellen (Sauerland)
1958 Eintritt als Spätberufener in den Orden der Arnsteiner
1964 Priesterweihe in den Niederlanden
1996 bis 2007 Pfarrer Michael Berning
1960 geboren in Oberhausen
1990 Priesterweihe
Literatur: Chronik 50 Jahre Kirchweihe St. Maria Frieden Werne; http://www.strasse-der-moderne.de/architekt/theodor-burlage/ (zu Theodor Burlage).
Text: Dr. Anke Barbara Schwarze
Die Fenster von Maria Frieden
„Lichtgestalt der Aussätzigen“ - Der Damian-Fensterzyklus in Maria Frieden
Merkwürdig verzerrt und gekrümmt wirken die Gliedmaßen des Mannes im ansonsten fast farblosen Glasfenster der Werktagskapelle von Maria Frieden. Ein Aussätziger ist er, ein Leprakranker, den die Gesellschaft ausgestoßen hat. Doch der Kranke ist nicht allein. Ein zweiter Mann hinter ihm hat seine Wunden versorgt und verbunden. Ein flacher Hut in der linken Hand und eine Kutte kennzeichnen den Helfer als Missionsgeistlichen. Er ist eine eher unauffällig Erscheinung. Trotzdem ist sein Abbild mit dem charakteristischen Bart und der einfachen Nickelbrille vielen Menschen bekannt, allein schon aus Schulbüchern: Es ist Pater Damian de Veuster.
In der Hölle von Molokai
Der Arnsteiner Pater kümmerte sich unter Einsatz seines Lebens um die Leprakranken in Hawaii. Er lebte von 1873 bis 1889 auf der Quarantäneinsel Molokai, der „Hölle von Molokai“, mit den ausgestoßenen Aussätzigen am Rande der Gesellschaft. Sein Vorbild wird bis heute von Katholiken in aller Welt verehrt. Papst Benedikt sprach den „Apostel der Aussätzigen“ am 11. Oktober 2009 heilig. Die Gemeinde Maria Frieden hat ihm schon vorher einen Fenster-Zyklus in ihrer Pfarrkirche gewidmet – das oben beschriebene Damian-Fenster, ergänzt von neun Rundbogenfenstern mit den Werken der Barmherzigkeit. Diese befinden sich in der Werktagskapelle, im Durchgang und in der Beichtkapelle.
„Ich übernehme ein Fenster“
1995, während der Seligsprechung von Damian de Veuster, schlug der damalige Pfarrer Josef Teipel der Gemeinde ein Damian-Fenster vor. Teipel, selbst ein Arnsteiner Pater, wollte damit die Erinnerung an seinen großen Ordensbruder in Werne wach halten. Nur fehlte der Gemeinde nach der aufwändigen Kirchenrenovierung das Geld für neue Fenster. Von der Diözesanverwaltung gab es nur Mittel für neue Holzrahmen der morschen Fensterhalter im Turmbereich und für eine einfache Verglasung. Doch die Gemeinde schaffte es, das Geld für eine künstlerische Gestaltung neuer Fenster aufzubringen.
„Das war ein Kraftakt, aber die gesamte Gemeinde hat mitgezogen“, erinnerte sich der inzwischen verstorbene Wilhelm Effgen noch vor einigen Jahren. Effgen hatte sich jahrzehntelang im Kirchenvorstand der Gemeinde Maria Frieden engagiert; in seinem Nachruf würdigte die Gemeinde St. Christophorus, dass die Fenster zu Damian de Veuster und dem Zyklus „Die Werke der Barmherzigkeit“ vor allem seiner Initiative zu verdanken gewesen seien. Die Gemeindemitglieder unterstützten ihn, veranstalteten Pfarrfeste und sammelten Spenden. Mehrmals passierte es Effgen, dass jemand ihn nach dem Gottesdienst ansprach und sagte: „Ich übernehme ein Fenster.“
Gestaltung des Glasmalers Dieter Hartmann
Mit der künstlerischen Gestaltung des Damian-Fensters und weiterer Kirchenfenster betraute die Gemeinde schließlich den Kölner Dieter Hartmann, einen renommierten deutschen Glasmaler. Da die Werktagskapelle in Maria Frieden ziemlich dunkel ist, machte der Künstler das Damian-Fenster sehr hell. „Dadurch soll der Betrachter Pater Damian auch als Lichtgestalt der Aussätzigen auf Molokai erkennen“, erklärte Wilhelm Effgen die Intention des Künstlers.
Er führte damals viele Gespräche mit Dieter Hartmann über dessen Fensterbilder. Die unmittelbare Nähe Damians zu dem Aussätzigen erinnert daran, dass der Pater mitten unter den Leprakranken lebte. Die Kranken waren nach Molokai in die völlige Isolation abgeschoben worden, ohne Aussicht auf Heilung. Pater Damian zahlte sein Engagement mit dem Leben. Er erkrankte selbst an Lepra und starb vier Jahre später, 1889. Mutter Theresa hat einmal über ihn gesagt: „Pater Damian, der sich für die am äußersten Rand der Gesellschaft Lebenden einsetzte, ist selbst ein Wunder.“
Die neun Werke der Barmherzigkeit
Dazu formulierte der Künstler Dieter Hartmann: „Die im Fenster-Zyklus dargestellten Themen wollen den Betrachter zur Meditation einladen. Wir Betrachter erkennen in Pater Damian Vorbild und Verkörperung von Barmherzigkeit.“ Daher verlieh Hartmann dem Barmherzigen in einigen Fenstern das Aussehen von Damian de Veuster. Hartmanns Botschaft lautet: „Seid ihr euren Mitmenschen, was Damian den Aussätzigen war.“
Fenster in der Werktagskapelle
Den Hungrigen zu Essen geben
Den Dürstenden zu Trinken geben
Die Unwissenden lehren
Fenster im Durchgang zur Orgelbühne
Die Trauernden trösten
Die Toten bestatten
Die Fremden beherbergen
Fenster in der Beichtkapelle
Die Kranken besuchen
Die Nackten bekleiden
Die Gefangenen besuchen